Tagung zur Historie des HeilPrG

Am 27. Januar startete die derzeit noch amtierende Bundesregierung mit einem Zeitungsinterview eine PR-Kampagne, um den Heilpraktiker-Beruf in die antisemitische Ecke zu stellen. Ihr Argument: das Heilpraktikergesetz von 1939. Ihre Ankläger: der Antisemitismusbeauftragte der Regierung, Felix Klein, und das Innenministerium. Ihre Beweise: Keine (auch nicht auf Nachfrage eines Bundestagsabgeordneten). Die Details der Kampagne sowie der Gegenwehr der Heilpraktiker (insbesondere des Fachverband Deutscher Heilpraktiker, FDH, und des Dachverband Deutscher Heilpraktikerverbände, DDH) können Sie hier im Heilpraktiker-Newsblog nachlesen (Links siehe unten). 

Am 3. Dezember sollte der Kampagnen-Höhepunkt des Regierungsbeauftragten stattfinden, um die bisher fehlenden Beweise zu liefern. Bei einer öffentlichen Veranstaltung des Regierungsbeauftragten in Berlin zum Thema Heilpraktikergesetz sollten Historiker (wie u.a. PD Dr. Florian Mildenberger) und Juristen (u.a. Prof. Christoph Stock) der Regierung öffentlichkeitswirksam die Beweise für ihre Argumentation liefern. Die vom Regierungsbeauftragten finanzierte Veranstaltung war für die Regierung ein Fehlschlag, da kein Redner ihr Argumente oder Beweise gegen Heilpraktiker lieferte. Unisono wiesen die Redner darauf hin, dass heute noch gültige Gesetze aus dem Dritten Reich (wie das Einkommensteuergesetz, das Gewerbesteuergesetz, die Bundesnotarordnung, das Heilpraktikergesetz) keinen Bezug zum Antisemitismus der von diesen Gesetzen betroffenen Personen hätten. Es gebe daher keine Belege für die Argumentation des Regierungsbeauftragten gegen Heilpraktiker auf Basis des Heilpraktikergesetz. 

Veranstaltung über Heilpraktikergesetz zunächst ohne Heilpraktiker geplant

Bei der Veranstaltung waren Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums, weiterer Ministerien, von Gesundheitsämtern, Universitäten, sowie Referenten und viele – auch weit angereiste – Heilpraktiker anwesend. Ob Strategie oder nicht: Die Regierungsveranstaltung zum Thema Heilpraktikergesetz war vom Veranstalter zunächst ohne Beteiligung und Expertise von Heilpraktikern als Referenten geplant, wie eine dem Heilpraktiker-Newsblog vorliegende erste Rednerliste aus dem Sommer zeigt. Erst durch die Intervention des Heilpraktiker-Dachverbandes DDH und des Verbandes FDH konnte die Heilpraktikerin Ursula Hilpert-Mühlig (Präsidentin FDH, Sprecherin DDH) als einzige Heilpraktikerin einen Vortrag halten und die Sicht der Heilpraktiker aus erster Hand darstellen.

Vortrag von Heilpraktikerin

Als ein Höhepunkt der Veranstaltung am 3. Dezember widerlegte daher die historisch und juristisch versierte Heilpraktikerin Ursula Hilpert-Mühlig in ihrem Vortrag die Argumentation des Regierungsbeauftragten. Sie spannte den Bogen von der perfiden Strategie des Dritten Reiches, den Beruf des Heilpraktikers mit dem Heilpraktikergesetz von 1939 zuerst anzuerkennen, um ihn dann mit dem gleichen Gesetz als Aussterbegesetz endgültig wieder abschaffen zu wollen, bis zur fragwürdigen Strategie des Antisemitismusbeauftragten von 2024. Sie schloss ihren Vortrag mit den mahnenden Worten an die Politik: „Für den Berufsstand war das rechtlich verordnete Aussterbenlassen ein Trauma, das bis heute nachwirkt. Reflexartig taucht bei jeder Thematik, die offiziell den Heilpraktiker-Beruf betrifft, die angstvolle Frage auf „werden wir jetzt abgeschafft?“ – ein kollektives Trauma, das nun wahrlich nicht von Geschichtsvergessenheit zeugt. Die Nationalsozialisten wollten Heilpraktiker abschaffen! 

Dem Berufsstand werden – aktuell gezielt – nationalsozialistische Narrative unterstellt.

Warum? Ist er psychopathisch und will sich mit ihm feindlich gesonnenen Gedankengut selbst schädigen? Oder ist es vielmehr so, dass Diskriminierung verbreitet wird, um in einer Zeit voll von Hass und Hetze ihn wiederum zu beschädigen und Bedrohungen auszusetzen? Ein paar Fragezeichen, die zum Nachdenken anregen sollen.“

 

(Service für Leser: Den Vortrag der FDH-Präsidentin, Ursula Hilpert-Mühlig, können Sie im Anhang des Heilpraktiker-Newsblog unten in voller Länge nachlesen.)

Fazit

Die Kampagne der Regierung und des Regierungsbeauftragten zeigt einmal mehr, dass es sich für die Heilpraktiker lohnt, politische Angriffe nicht stillschweigend hinzunehmen, sondern sich zu wehren und an die Öffentlichkeit zu gehen – sachlich, vereint, mit persönlichem Engagement sowie mit Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit und der politischen Kommunikation. 

Hintergründe: 

Über die Kampagne der Regierung und den Widerstand der Heilpraktiker können Sie sich ausführlich in mehreren Artikeln im Heilpraktiker-Newsblog informieren: 

  • über die Attacke des Antisemitismusbeauftragten am 27. Januar per Zeitungsinterview und über den öffentlichen Widerspruch des Dachverbandes DDH (Link ), 
  • über eine Anfrage der Opposition, die das Thema in des Bundestag trägt (Link ) , 
  • über eine Verschärfung der Regierungskampagne durch das Innenministerium und die Antwort der Heilpraktiker (Link ) 

Veranstaltung:

Termin: 3.12.2024, 10-16 Uhr

Titel: Historische Perspektiven auf Entstehung und Folgen des Heilpraktikergesetzes von 1939, 

Veranstalter: Wissenschaftliche Leitung und inhaltliche Organisation: Prof. Dr. Thomas Beddies (Charité – Universitätsmedizin Berlin) und Prof. Dr. Daniel Rottke (Berlin / Hochschule Neubrandenburg)

Veranstaltungsort: Charité 

Schirmherr: Finanzierung durch Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Dr. Felix Klein.


 

Das Redemanuskript von Ursula Hilpert-Mühlig, Heilpraktikerin (Präsidentin FDH, Stv. Sprecherin DDH), gehalten am 3.12.2024 in Berlin:

 

85 Jahre Heilpraktikergesetz in der Retrospektive des Berufsstandes der Heilpraktiker

Bei meinem Vortrag liegt der Fokus auf vier Bereichen:
Berufsbild, Tätigkeitsfelder des Heilpraktikers
Funktion des Heilpraktikerrechts von 1939
Geltendes Heilpraktikerrecht, Folgen für Berufsausübung
Dem Gesetz innewohnende Belastungen für den Berufsstand

Blick auf Berufsbild und Tätigkeitsfelder (auch um Begrifflichkeiten zu klären):
Heilpraktiker ist ein freier Heilberuf; er ist selbständig und eigenverantwortlich in direkter Patientenversorgung tätig. Sein Berufsfeld verfügt über eine lange Tradition; vorrangig geprägt durch naturheilkundliche&traditionelle Heilweisen; also solche, die sich an den Gesetzmäßigkeiten der Natur orientieren und an denen er sein therapeutisches Handeln ausrichtet.
Was ist darunter zu verstehen? 
Dass Menschen die Natur auch zu Heilungszwecken nutzen, dürfte so alt wie die Menschheit selbst sein. Der Begriff Naturheilkunde wurde jedoch erst 1850 geprägt, von dem Arzt Dr. Lorenz Gleich, der damit die Behandlung und Vorbeugung von Krankheiten mit naturgemäßen Mitteln und Methoden beschreibt. Etwa physikalische Reize (Licht, Luft, Wasser, Wärme und Kälte, Bewegung im Wechsel mit Ruhe), spezielle Ernährungsformen, pflanzliche und natürliche Arzneistoffe sowie psychosoziale Einflussfaktoren (wie Zuwendung, Beratung zur Lebensführung u.ä.). 

Unter traditionellen Heilweisen versteht man eigenständige Medizinsysteme, wie etwa Homöopathie, Anthroposophische Medizin, TEM, zudem auch außereuropäische Traditionsmedizin (TCM, indische Ayurveda). Ihnen allen gemeinsam ist eine ganzheitliche Betrachtung und Behandlung des Menschen und seiner Erkrankung. Als Maxime gilt diegleichberechtigte Einheit von Körper, Geist und Seele unter Einbeziehung der Lebensumstände. Weiterhin hat die Erkenntnis Bedeutung, dass dem Menschen von Natur aus Selbstheilungskräfte innewohnen. Diese gilt es mittels naturgemäßer Heilmethoden anzuregen, unter dem elementaren Grundsatz „primum nihil nocere“.

Wenn es um das Berufsfeld des Heilpraktikers geht, dann geht es auch um die Erhaltung dieser vielfältigen Heilweisen. Im etablierten Medizinsystem findet der Großteil von ihnen keine Anerkennung (es fehle an Evidenz). In der Bevölkerung jedoch finden sie breiten Zuspruch, sie sieht darin eine Bereicherung an heilkundlichen Therapieangeboten.
Dem Heilpraktiker ermöglicht diese Methodenvielfalt, die individuellen gesundheitlichen Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen – über das Angebot der offiziellen medizinischen Bedarfsdeckung hinaus.
  
Grundsätzlich ist der Naturheilkunde auch der Präventionsgedanke immanent, der in der heutigen Tätigkeit des Heilpraktikers einen großen Platz einnimmt – Stichwort: Anleitung zu gesunder Lebensführung (Ordnungstherapie).

Ein weiterer Bereich firmiert unter dem Begriff „Wunschmedizin“: Darunter versteht man nichtmedizinisch indizierte Maßnahmen, die sich Gesunde wünschen zur Selbst- und Leistungsoptimierung – schöner, besser, schneller.
Diesen Wünschen sind heutzutage nahezu alle freien Heilberufe ausgesetzt – Stichwort: Nachfrage bestimmt Angebot. Das gilt auch im Gesundheitssystem, das sich immer weiter ausdifferenziert und in weiten Teilen zu einem Gesundheitsmarkt entwickelt hat.

Die Methodenvielfalt bei der Ausübung des Heilpraktikerberufs, die über Natur- und Erfahrungsheilkunde bis hin zur Anwendung moderner heilkundlicher und gesundheitsoptimierender Erkenntnisse reicht, prägt letztendlich seine „Heterogenität“.

Seine berufsrechtliche Positionierung hingegen ist eindeutig: Er ist durch das Grundgesetz ein demokratisch legitimierter Beruf – und er sieht sich auch als solchen.
Das muss im Zusammenhang mit dieser Tagung besonders betont werden: Denn aufgrund der Urfassung des Heilpraktikerrechts, das der Nazi-Zeit entstammt, wird immer wieder versucht, dem Berufsstand von heuteunisono nationalsozialistische Narrative zu unterstellen.
Das zeugt von Blindheit oder Bosheit oder von beidem. Hier lohnt sich also ein geschärfter Blick…

Nach dem Grundgesetz kann man das Heilpraktikerrecht nicht pauschal in eine schlimme Vergangenheit verweisen. Denn laut Art. 123 „gilt Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages fort, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht“.
Und die Passagen, die dem Grundgesetz widersprachen, wurden höchstrichterlich für ungültig erklärt und gestrichen. Damit hat das HeilPrG auch einen tiefgreifenden Funktionswandel erfahren, der bei einem Vergleich von „früher“ und „heute“  sichtbar wird.

Blick auf das Heilpraktikerrecht von 1939:
Alsbald nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten gab es konkrete Bestrebungen, die damals bestehende Kurierfreiheit aufzuheben und für nichtärztliche Heilbehandler eine Berufsregelung zu schaffen. Diese sollte auf einem Berufsbild des „Heilpraktiker“ beruhen, das von damaligen Verbänden geprägt wurde; ausgestattet mit Ausbildungs-, Prüfungs- und Zulassungsordnung – ein selbstverwaltetes Standesrecht, ähnlich dem der Ärzteschaft.

Dazu ist es dann schließlich nicht gekommen. Wenn man Unterlagen aus dieser Zeit aufmerksam liest, war dabei insbesondere der Reichsärzteführer Gerhard Wagner federführend, der mit der Abschaffung der Kurierfreiheit auch gleich die Konkurrenz der nichtärztlichen Heilbehandler beseitigen wollte.
Die vorhandenen Heilpraktiker müsse man halt dulden, dann aber müsse Schluss sein – so sein Credo. Die Naturheilkunde – in der Bevölkerung sehr beliebt und daher nicht auf dem Index – könne zukünftig bei der Ärzteschaft integriert werden. Damit sei das Vorhaben einer umfassenden „Volksgesundheitspflege“  des Nationalsozialismus absolut realisierbar.
Diese politisch geförderte Haltung setzte sich nach Jahren zähen Ringens durch und bildete dann die Grundlage für den Erlass des HeilPrG von 1939 sowie seiner DVO.

Seine Funktion lässt sich in fünf Punkten charakterisieren:

(1) Aufhebung der allgemeinen Kurierfreiheit, indem die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde unter Erlaubnisvorbehalt gestellt wird.

(2) Beseitigung des Heilpraktikerberufs durch Zugangssperre mit Übergangsregelung für bereits im Beruf Tätige: Eine Erlaubnis konnten nur noch diejenigen erhalten, die die Heilkunde zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes bereits berufsmäßig ausgeübt hatten. Sie mussten in einer kurzen Frist von 6 Wochen ihren Antrag gestellt haben, um eine Erlaubnis zur Berufsausübung zu erhalten; in Zukunft sollte dann keine mehr erteilt werden. Die Ausbildung von Berufsnachwuchs wurde untersagt durch Verbot von Ausbildungsstätten.

(3) Einführung des Ärztemonopols: auf lange Sicht hätte das Gesetz zur Beseitigung der Heilpraktiker und damit zum Ärztemonopol geführt. Das war auch beabsichtigt, da es sich um eine Übergangsregelung handelte, die in einigen Jahrzehnten zum „Aussterben“ des Heilpraktiker-Berufsstandes geführt hätte.

(4) Zugleich enthielt das Gesetz für die Übergangszeit eine rechtliche Anerkennung und Ordnung des Heilpraktikerberufs. Die Bezeichnung „Heilpraktiker“ wurde festgelegt, sie musste bei Berufsausübung verpflichtend geführt werden.

(5) Errichtung einer alleinigen Berufsvertretung mit quasi öffentlich-rechtlichen Befugnissen: Die „Deutsche Heilpraktikerschaft e.V.“ wurde Zwangsverband für alle, denen eine Erlaubnis als Heilpraktiker erteilt wurde. Der Verband war zudem zuständig für eine Berufsordnung, eine Berufsgerichtsbarkeit sowie umfassender staatlicher Aufsicht. 

Fazit: In diesem Gesetz wird die perfide Vorgehensweise der Nazis gut sichtbar.
Einerseits gestalteten sie eine berufsständische Ordnung, die der öffentlich-rechtlichen Regelung von freien Berufen in Gestalt von Kammern sehr nahe kam. Gleichzeitig sorgten sie für eine „biologische Lösung“ des Problems Heilpraktiker: Die gezielte Dezimierung des Berufsstandes durch die bereits beschriebenen stringenten Regelungen. Zusätzlich gab es die präventive Versagung der Erlaubnis, die nachträgliche Rücknahme sowie die mit der 2.DVO eingeführte und auf Behörden übertragene Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers als weiteren Versagungsgrund.

Dass dies alles funktionierte, zeigen die Zahlen: bis zum Stichtag 1. April 1939 beantragten insgesamt ca. 12.000 Personen eine Heilpraktiker-Erlaubnis, ca.10.000 übten den Beruf aus. Nach dem Zusammenbruch des Naziregimes 1945 gab es in den vier Zonen Deutschlands noch knapp 2000.
In der DDR, in der das HeilPrG von 1939 nahezu unverändert weitergalt, gab es zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung 1990 noch 10 praktizierende Heilpraktiker, alle weit über 70 Jahre alt.

Blick auf das geltende Heilpraktikerrecht mit Auswirkung auf die Berufsausübung:
Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes (1949) und der sich daran orientierenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der Zugang zum Heilpraktikerberuf wieder allgemein geöffnet worden und durch Art. 12 die Berufsfreiheit verbürgt. Aus einem Gesetz, das den Heilpraktiker beseitigen sollte, wurde eine Berufszulassungsregelung für einen freien Beruf.  

Damit hat das HeilPrG einen Funktionswandel erfahren, der sich in vier Punkten charakterisieren lässt:
 (1) kein Ärztemonopol für die Ausübung von Heilkunde; es bietet jedem Einzelnen die freie Wahl seines Heilbehandlers und der Behandlungsmethode.

(2) es verwirklicht die Berufsfreiheit eines historisch gewachsenen und vom Arztberuf deutlich unterschiedenen Berufsstandes; es schränkt die Therapie- und Methodenfreiheit nicht ein, was dem beruflichen Selbstverständnis des Heilpraktikers entgegenkommt, die große Palette der Natur- und Erfahrungsheilkunde einsetzen zu können.

(3) damit bildet es auch im Gesundheitswesen eine Grundlage für die Existenz vielfältiger Heilkunde, insbesondere mit der Anwendung von Naturheilverfahren. Damit deckt es das Bedürfnis der Bevölkerung nach naturgemäßen Heilmethoden, die in der Schulmedizin wenig bis keine Anwendung finden.

(4) es setzt(weiterhin)ein präventives Verbot für Kurierfreiheit: Zum Schutz des Einzelnen und der Allgemeinheit vor unberufenen Heilbehandlern erfordert die Ausübung nichtärztlicher Heilkunde eine Erlaubnis, die an eine Reihe von Kriterien geknüpft ist, vorgegeben durch die DVO.

In seiner jetzigen Form gewährleistet das Gesetz dem Heilpraktiker die Zulassung als freien Heilberuf. Es gewährt viel therapeutische Freiheit, aber keinen allgemeinen rechtlichen Freiraum – wie aus Unkenntnis oder böser Absicht immer wieder unterstellt wird.
 
Es gibt zahlreiche Einschränkungen der heilkundlichen Befugnis etwa durch Zulassungssperren (Tätigkeitsvorbehalte anderer Heil- und Gesundheitsberufe).
Es gibt klare Vorgaben zu Sorgfaltspflicht und Selbstbeschränkung. Durch kontinuierliche Rechtsprechung werden Bereiche des Heilpraktikerrechts den sich wandelnden Belangen im Gesundheitswesen angepasst. Insbesondere den Anforderungen an Patientenschutz –
Heilpraktiker unterliegen selbstverständlich dem Patientenrechtegesetz mit den gleichen Pflichten wie ein Arzt.

Zudem hat der Berufsstand eigeninitiativ Handlungsvorgaben geschaffen, wie z.B. eine Berufsordnung, eine Ethik-Richtlinie, eine Leistungsabrechnung, Anlaufstellen für Patienten eingerichtet (z.B. Beschwerdestelle, Beratung zu heilpraktikertypischen Behandlungsformen, Aufklärung über dubiose Angebote u.ä.)

Die Vorgaben der Rechtsprechung und die privatrechtlichen des Berufsstandes scheinen sich vor allem in Hinblick auf die Patientensicherheit gut zu bewähren – legt man die seit Jahrzehnten bestehende, sehr geringe Schadensfallquote zugrunde, welche die auch für HP vorgeschriebene Berufshaftpflicht vermeldet.

Blick auf die dem Gesetz innewohnende Belastungen (für den Berufsstand):
Der Berufsstand hat sich mit dem geltenden Heilpraktikerrecht weitestgehend arrangiert.
Die Unzulänglichkeiten, die es aufweist, sind nicht dem Berufsstand anzulasten.
Sie sind vom Gesetzgeber offensichtlich so gewollt – sonst hätte er sie in den 75 Jahren seit Bestehen der BRD längst angehen können.
Nichtsdestotrotz hat der Berufsstand immer wieder Gestaltungsvorschläge gemacht. Er war zunächst treibende Kraft, nach Kriegsende dem Parlament ein neues HeilPrG vorzuschlagen. In den 1950er Jahren war das mehrfach Thema im Dt. Bundestag – nach 8 Jahren wurde das Vorhaben dann ad acta gelegt – über die Hintergründe lässt sich nach so vielen Jahren nur spekulieren (zu komplex, zu viel Widerstand der Ärzteschaft).

Welche Spannungsfelder ergeben sich?
das Monopol berufsständischer Vertretung (Pflichtmitgliedschaft, Berufsaufsicht, Gerichtsbarkeit) hat keine Rechtsgrundlage mehr. Der Aufbau einer öffentlich-rechtlichen Organisation im Sinne einer Kammer wie sie andere freie Berufe haben, wurde nicht erwogen – auch ein Grund für die heutige Vielzahl an Berufsverbänden, und dass der Berufsstand bei Missständen keine rechtliche Handhabe hat, selbst dagegen vorzugehen.

die Ausgestaltung der behördlichen Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern: Sie gilt als wichtigste Voraussetzung zur Erteilung der Heilkundeerlaubnis. Nach wie vor darf sie nur Überprüfung und keine staatliche (Fach-)Prüfung sein, um ihr nicht die Charakterisierung einer Qualifikation zu geben. Nach wie vor ist die Ausgestaltung des Gegenstandskatalogs rein schulmedizinischer Art. Unseres Erachtens wäre es aber notwendig – unter Einbeziehung des Berufsstandes – auch Nachweise von Fertigkeiten in der praktischen Anwendung entsprechend der späteren Tätigkeit aufzunehmen.

das Fehlen staatlicher berufsqualifizierender Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften: Dafür bietet das HeilPrG keine rechtliche Grundlage – es war ja als Aussterbegesetz und nicht als Berufsgesetz konzipiert. Die Rechtsbereinigung des Gesetzes konnte nur verfassungswidrige Bestimmungen außer Kraft setzen, sie konnte keine neuen Regelungen einführen.
Der Gesetzgeber selbst will den Eindruck einer staatlichen Anerkennung vermeiden, es soll keine „kleine Approbation“ entstehen, keine Gewähr für eine Qualität naturheilkundlicher&traditioneller Heilweisen übernommen werden, da Konfrontation mit „Stand der Wissenschaft“ – um nur einige Hinderungsgründe zu nennen.
Das Fehlen einer gesetzlichen Ausbildungsordnung bedeutet jedoch nicht, dass es keine qualifizierte Heilpraktikerausbildung gibt. Sie wird vor allem durch Verbandsschulen vermittelt. Aber das kann nicht vermeiden, dass es viele kommerzielle Anbieter gibt, die lediglich auf die Überprüfung vorbereiten, jedoch keine Ausbildung in heilpraktikertypischen Therapien und schon gar keine praktische Ausbildung anbieten – freie Marktwirtschaft…

kein Bestandsschutz der Tätigkeitsbereiche: Die gegenwärtige Ausgestaltung als Berufszulassungsgesetz ist zwar eine Art Garant für die freie Ausübung der Heilkunde, sie ist jedoch kein Schutz für den Besitzstand, wie das bei Berufsgesetzen der Fall ist.

die Aufsplitterung des Berufsstandes durch Teilbarkeit der Heilkundeausübung:
Ein Tatbestand, der durch höchstrichterliche Rechtsprechung entstanden ist. Zunächst die Einführung einer Heilkundeerlaubnis eingeschränkt auf Psychotherapie, einer eigenständigen Heilmethode, die gut abgrenzbar ist. Die behördliche Überprüfung umfasst eine eigene, für dieses Spektrum zugeschnittene Leitlinie.
Aus diesem Schritt, auf einen Therapiesektor beschränkte Heilkundeerlaubnis zu erhalten, wurde ein Meilenstein. Es folgten weitere Berufsgruppen, die das auch für sich beanspruchten. In der Folge entschied das BVerwG erneut über Teilzulassungen, dieses Mal für Gesundheitsfachberufe, die nur aufgrund ärztlicher Verordnung Krankenbehandlung vornehmen dürfen (wie Physiotherapeuten, Logopäden, Podologen, Ergotherapeuten).
Mit einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis können sie nur ihren Fachbereich als Heilmittelerbringer eigenverantwortlich ausüben, entsprechend eingeschränkt ist auch die behördliche Überprüfung.
Sie können sich aber Heilpraktiker nennen, obgleich der Bezug zum Tätigkeitsfeld des Heilpraktikers fehlt – es ist nicht Bestandteil ihrer Profession und darf daher nicht ausgeübt werden.
Diese sektorale Erlaubnis dient allein dem Zweck, unabhängig von ärztlicher Delegation zu sein, schafft keine erweiterten therapeutischen Inhalte, lediglich Erstkontakt zum Patienten und direkte Abrechnungsmöglichkeit.

Für Patienten, die den „klassischen“ Heilpraktiker aufsuchen möchten, ist das nicht nur verwirrend, es ist sogar irreführend, denn es erweckt den Eindruck eines Fach-Heilpraktikers, ähnlich einem Facharzt. Dabei handelt es sich nur um eine eingeschränkte Zulassung ohne jegliche therapeutische Kompetenzerweiterung.
Ergo: Nicht überall wo Heilpraktiker draufsteht ist auch Heilpraktiker drin.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Anmerkung:
Für den Berufsstand war das rechtlich verordnete Aussterbenlassen ein Trauma, das bis heute nachwirkt. Reflexartig taucht  bei jeder Thematik, die offiziell den Heilpraktiker-Beruf betrifft, die angstvolle Frage auf „werden wir jetzt abgeschafft?“ – ein kollektives Trauma, das nun wahrlich nicht von Geschichtsvergessenheit zeugt.
Die Nationalsozialisten wollten Heilpraktiker abschaffen!

Dem Berufsstand werden – aktuell gezielt – nationalsozialistische Narrative unterstellt.
Warum?
Ist er psychopathisch und will sich mit ihm feindlich gesonnenen Gedankengut selbst schädigen? Oder ist es vielmehr so, dass Diskriminierung verbreitet wird, um in einer Zeit voll von Hass und Hetze ihn wiederum zu beschädigen und Bedrohungen auszusetzen?

Ein paar Fragezeichen, die zum Nachdenken anregen sollen…

Es gilt das gesprochene Wort                                                          Ursula Hilpert-Mühlig“